N° 13 Identifizierbar

Lang lebe der Leibbursch!

Die Stärke einer Corpsgemeinschaft zeigt
sich in der Fähigkeit zur Integration von den in ihrer Mitte natürlich
entstandenen Gruppierungen, die als Freundschaftszirkel das besondere
Profil der Gemeinschaft prägen. Die Vielfalt dieser »Identitätskerne«
scheintzunächst die »Corporate Identity« des Corps zu verdecken;
aber die Unterschiedlichkeit garantiert die Dynamik und Stabilität
des aktiven Corps.

Die Identitätskerne stehen zwar untereinander
in einem oft widersprüchlichen Verhältnis,aber gerade die Widersprüchlichkeit
verleiht den Gruppierungen ihren besonderen Charakter, verdichtet
die Kommunikation, entwickelt Konfliktkulturen, macht Unterschiede
sichtbar und fruchtbar, ermöglicht direkte und offene Auseinandersetzung.
Einheitlichkeit ist langweilig; Widersprüchlichkeit garantiert Dynamik,
Differenzierung, Komplexität.

Die Stärke der Vielfalt

Der "Zerfall" der Gemeinschaft
in verschiedene Identitätskerne ermöglicht die Bildung neuer Kerne,
die neuartige gesellschaftliche Bedingungen leichter aufgreifen
können und so das Überleben des Corps auch dann sichern, wenn der
Zeitgeist den Wert korporativer Bindungen grundsätzlich in Frage
stellen sollte. Die Entwicklung neuer Identätskerne ist ein untrügliches
Zeichen dynamischer Stabilität.

Seine Identität gewinnt der Kern in der Auseinandersetzung,
ist das Resultat von Begegnungen. Der Pflege der Besonderheit, der
inneren Linie eines Identitätskernse ntspricht der Pflege der Besonderheit
des Corps: Seine Identität gewinnt das Corps in der Auseinandersetzung
mit anderen Corps, mit anderen studentischen Verbindungen, mit dem
gesellschaftlichen Umfeld. Zur sorgfältigen Vorbereitung dieser
Begegnungen muß sich das Corps auf seine Identitätskerne verlassen
können: Daß sie unterschiedliche Vorstellungen über die Wege zum
Erhalt der Corpsgemeinschaft eingebracht und diskutiert haben, daß
sie sich auf Ziele festgelegt haben, die sie solidarisch verfolgen.

DIE LEIBFAMILIE …

Ein für das aktive Corps besonders wichtiger
Typ eines Identitätskerns ist die Leibfamilie; die Zweiergemeinschaft
aus Leibfuchs und Leibbursch, die Freundschaft zwischen dem Neumitglied
in der Probezeit und dem von ihm gewählten aktiven Corpsburschen.
Der Leibbursch steht seinem Leibfuchs zur Seite und ist auf sein
Wohl bedacht. Er hat die Doppelfunktion eines Mitspielers und distanzierten
Beobachters. Er läßt seinen Leibfuchs zu seinem eigenen realitätsgerechten
Verständnis für die Vorgänge im Corps kommen. Der Leibbursch wird
damit zum Tutor, der seinem Leibfuchs seine Möglichkeiten bewußtmacht
und sie auszugraben hilft.

Die traditionelle Formel lautet: Der Leibbursch
ist der Führende, der Leibfuchs ist der Geführte. Aber das Bild
vom aktiv Führenden und dem passiv Geführten widerspricht dem Grundprinzip
des "partizipativen Führungsstils". Wenn der Ältere seine
Rolle richtig versteht, wird er sich auch seinerseits vom Jüngeren
"führen" lassen (und nebenbei etwas vonder im Leben wichtigen
Führungskompetenz erwerben).

… EIN BESONDERER IDENTITÄTSKERN

Wenn sie gemeinsam handeln, haben Leibbursch
und Leibfuchs besondere Vorteile: sie sind besser informiert über
das, was um sie herum geschieht; ihr gemeinsamer Wille läßt sich
überzeugender formulieren und durchsetzen; die gegenseitige Anerkennung
(um nicht zu sagen: Bewunderung) stärkt ihr Selbstbewußtsein und
ihre Fähigkeit zum zielgerichteten Handeln, zum Wahrmachen des Möglichen.

Ein neuaufgenommenes Mitglied orientiert sich
als Leibfuchs an seinem Leibbursch; als Corpsbursch akzeptiert er ein neu aufgenommenes
Mitglied als Leibfuchs.

»K. Ibel

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